Toleranz und Demenz – annehmen, was ist.

Der Internationale Tag der Toleranz

 

16. November 2025

Toleranz beginnt im Kleinen:
mit einem Lächeln, einem offenen Ohr und einem inneren Atemzug, der sagt:

„Ja – so darf es sein.“

Gerade in der Begleitung von Menschen mit dementiellen Veränderungen wird deutlich, wie wichtig dieses innere Einverständnis ist:

Ein Ja zum Leben – so wie es gerade erscheint.
Ein Ja zu mir selbst – und zu dem anderen.

Eine Haltung, die verbindet

„Der darf das. Das darf so sein. Die Situation darf so sein.“
Merksatz aus den Powerflow Starter Seminaren

Dieser Satz ist mehr als eine Erinnerung – er ist eine Haltung.
Eine Haltung, die uns unterstützt, im Kontakt zu bleiben: mit uns selbst und mit den Menschen, die wir begleiten.

Menschen mit dementiellen Beeinträchtigungen erleben ihre Welt anders.
Zeit, Raum, Erinnerung, Sprache – vieles verschiebt sich. Für Außenstehende wirkt das manchmal irritierend oder herausfordernd.

Sobald wir versuchen, eine Situation „geradezubiegen“, entsteht Druck.
Für uns – und für den anderen.

Wenn wir jedoch innerlich sagen:

„Der darf das. Das darf so sein.“

… dann entsteht Raum.
Ein Raum für Annahme, Entspannung und ein gemeinsames Durchatmen.

Ein Erlebnis aus meiner Zeit in der Tagespflege Noah in Soest

Ich erinnere mich an einen Tag besonders gut.

Ich begleitete einen Herrn mit dementiellem Verhalten zu einem Arzttermin – eine halbstündige Fahrt in seinen Heimatort.
Es war notwendig, um seine Ehefrau zu entlasten, die dringend eine Pause brauchte.

Für ihn war langes Sitzen schwierig.
Als wir in der Praxis ankamen, mussten wir trotz Termin warten. Das Wartezimmer war voll, und die zugesicherte Möglichkeit, schnell durchgehen zu dürfen, war hinfällig.

Nach 15 Minuten stieg seine Unruhe. Die Stimmung im Raum veränderte sich – man spürte Bewertungen, Unverständnis, Anspannung.

Ich kannte ihn gut – und ich wusste, wie sehr ihm das Singen Freude bereitete.
Also wollte ich die Wartezeit mit etwas überbrücken, das ihm guttat.

Ich beugte mich zu ihm und flüsterte ihm die ersten drei Worte eines bekannten Liedes ins Ohr.
Er schaute mich erstaunt an – und begann kräftig und klar zu singen.
Die ganze Praxis hörte zu.

Bereits nach einer halben Liedstrophe wurden wir von der Sprechstundenhilfe hereingerufen.

Viele der Wartenden wirkten erleichtert – seine Unruhe, das Hin-und-Her-Bewegen und schließlich das laute Singen passten für manche nicht in das stille Bild eines Wartezimmers.

War das Toleranz?

Ja – genau das.

Toleranz bedeutet manchmal, den Moment anzunehmen, wie er ist, und kreativ mitzugehen.
Es heißt, gemeinsam Wege entstehen zu lassen – selbst wenn sie ungewöhnlich erscheinen.

Ich war dankbar für diesen Augenblick:
für seine Freude, für das Vertrauen zwischen uns und dafür, dass wir die Situation gemeinsam meistern konnten.

Solche Erfahrungen zeigen mir immer wieder, wie wichtig gelebte Toleranz ist:
Toleranz gegenüber den Wartenden, gegenüber dem Menschen mit Demenz – und auch gegenüber den Mitarbeitenden einer Praxis.

Ich kann diese Haltung nur einnehmen, wenn ich alle so annehme, wie sie sind – und die Situation so, wie sie sich zeigt.

Einladung zum Tag der Toleranz

Ich lade dich herzlich ein, den Internationalen Tag der Toleranz am 16. November 2025 bewusst zu begehen.

Lass uns diesen Tag nutzen, um Achtsamkeit, Mitgefühl und liebevolle Präsenz sichtbar zu machen.
Denn Toleranz ist keine Theorie.
Sie ist eine tägliche Entscheidung.
Und sie beginnt – in jedem einzelnen Moment.

🧡
Andrea Brinker
IVA®-Trainerin | Powerflow-Trainerin
www.andrea-brinker.de